Luxus Homeoffice! Was von der Substanz unserer sozialen Beziehungen bleibt.

Die emotionalen Folgen der verordneten Kontaktbeschränkungen sind bislang nicht oder nur wenig erforscht. Es gibt Regeln für das Arbeiten im Homeoffice – aufgestellt in Zeiten vor der Pandemie. Es gibt ganze Webinarreihen, wie eine Führungskraft remote führen sollte. Die Technik dafür steht inzwischen bei uns allen. Es gibt eine Etikette für Webkonferenzen. Die haben wir in der anfänglichen Hektik neu gelernt oder aus früherer Erfahrung rekapituliert.

Aus der Notwendigkeit heraus waren wir alle bereit, uns schnell auf das neue Arbeitsmodell einzustellen. Das hat bisher gut geklappt! Vertrauen wir also auch weiterhin auf unsere Veränderungskompetenz.

Ein Kaleidoskop des aktuellen Arbeitslebens

Die einen arbeiten über ihre Belastungsgrenzen hinaus, weil Privates und Berufliches verschwimmen. Der Arbeitstag beginnt um 8 Uhr mit der ersten Webkonferenz und endet nach zehn weiteren am späten Abend. Zwischendrin kein persönliches Treffen, kein Gang zum Lunch um die Ecke. Andere haben Schwierigkeiten, sich zu organisieren und zu fokussieren. Oder es plagt sie die Sorge um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, weil die eigene Rolle eventuell durch neue Arbeitsformen überflüssig wird. Während Introvertierte im Homeoffice möglicherweise glücklicher sind, erleben Extrovertierte gerade das Gegenteil. Von diesen Erfahrungen berichten sowohl junge als auch erfahrene, seniore Führungskräfte.

Wir brauchen persönlichen Austausch

Kürzlich erzählte mir eine Klientin von ihren wöchentlich terminierten Coffee-Talks mit den Kollegen aus ihrem Squad. Diese Treffen sollen einem entspannten kollegialen Austausch dienen, um in vertrauensvollem Kontakt zu bleiben. Sie wunderte sich, dass alle Kollegen immer so gut drauf seien, denn ihr selbst gehe es ganz anders. Sie erlebe ganz starke emotionale Schwankungen, sie sei viel dünnhäutiger geworden. Der Blick ins Grüne sei ganz schön, aber ...


Ich empfahl meiner Klienten, dies doch im nächsten Coffee-Talk offen anzusprechen. Denn: Wodurch ensteht Vertrauen im Team? Indem wir Persönliches teilen, damit die anderen wissen, wie es uns geht. Und nicht so tun, als sei doch alles super.


So unterschiedlich die Wahrnehmungen zum Lockdown sein mögen, wir sind soziale Wesen und brauchen den Austausch zur Bestätigung unserer Wahrnehmungen, für Lob und Anerkennung oder als Korrektiv, um uns eine eigene Meinung zu bilden. Durch das Aussprechen und Teilen unserer Gedanken erzeugen wir Nähe und Empathie, die wir in diesen Distanzbeziehungen dringend brauchen.

Die aktuelle Zerreissprobe

Der Lockdown zehrt und zerrt an den Nerven und unserer Langmut. Wir werden überschüttet mit digitalen Informationen, ohne dass sie uns für die Einordnung der Gegenwart wirklich weiterhelfen. Im wahrsten Sinne des Wortes ist unser Umfeld ver-rückt. Die Routinen sind nicht mehr verlässlich, unsere Sicherheit steht auf dem Prüfstand. Vieles scheint auseinanderzudriften, Arbeitsmodelle verändern sich, Regeln werden auf den Kopf gestellt. Wir alle werden auf die Probe gestellt.

Selbstachtsamkeit und ein geschärfter Blick

Jeder von uns braucht eine gute Portion Achtsamkeit für sich selbst. Was sind meine ganz persönlichen Ressourcen, die mir schon in anderen schwierigen Situationen den Weg gezeigt haben? Wie vermeide ich den „Information-Overflow“ und selektiere aufmerksam nach Kriterien, die für mich relevant sind? Bei uns selbst bleiben hilft, Energie, Kreativität und Ideenreichtum zu fokussieren, um für den Start nach dem Lockdown Neues zu lernen und vorbereitet zu sein. In dieser Zeit der Entschleunigung schärft sich unser Blick für Themen, die wir gerne unter Termindruck immer wieder nach hinten geschoben haben. Jetzt können wir Aufgeschobenes in Angriff nehmen, einordnen was wirklich wichtig ist und konzentriert den Blick auf Kommendes richten.

Zusammendefassend können wir aus dem Lockdown drei Learnings mitnehmen:

Learning 1: Die Bereitschaft, Neues auch in Ungewissheit zu wagen

Learning 2: Nähe durch Kommunikation

Learning 3: In ver-rückten Zeiten für uns selbst sorgen