Wenn die Executive-Rolle einsam macht und isoliert

Wenige Vertraute, verdeckte Konflikte, mangelnde Offenheit

Karl Lagerfeld, Leo Kirch, Vanessa May – unterschiedlicher können diese Personen und die Branchen, in denen sie gewirkt haben oder noch wirken, nicht sein. Herausragende Positionen. Und wir wissen – durch die Presse – sie alle hatten oder haben nur wenige Vertraute, haben kaum jemanden nah an sich herankommen lassen. Jeder Executive, jeder Leistungsträger ist in einer ähnlichen Situation. Einfluss, Macht, außergewöhnliche Entscheidungsbefugnisse, aber auch die alleinige Verantwortung, Entscheidungen zu tragen, machen einsam. Es nimmt als schleichender Prozess seinen Anfang und zieht sich durch die Führungsebenen hindurch.

Die Verweildauer auf der obersten Führungsebene hat besonders in großen Konzernen rapide abgenommen. Wie und wem kann man da überhaupt vertrauen, wie damit umgehen?

„The elephant in the room”

In meinen Gesprächen mit Top-Managern wird immer wieder ein Dilemma deutlich. Zum einen haben sie auf ihrem Weg durch die Hierarchieebenen gelernt, vorsichtig zu sein, sich wenig zu öffnen, sich selbst zu kontrollieren, wenn nötig, eine Maske zu tragen, zu beobachten, die eigene Meinung zu filtern, Emotionen hinter Härte zu verbergen. Vielleicht blocken sie nicht opportune Entscheidungen ab, weil die Konstellation in Vorstand oder Geschäftsführung verfahren ist und persönliche Interessen im Vordergrund stehen. Amerikaner sprechen dann gerne vom „elephant in the room“. Jeder sieht das Problem, aber es wird im besten Fall nach unten delegiert, im schlechtesten gar nicht angegangen.

Gleichzeitig, und dies ist die andere Seite des Dilemmas, machen diese Top-Entscheider die Erfahrung, dass vor allem kritische Informationen nur noch gefiltert bis zu ihnen vordringen – in manchen Fällen sogar durch die Lehmschicht gar nicht mehr hindurch kommen. Erst vor Kurzem saß ein Senior Manager frustriert vor mir, weil in einem wirtschaftlich angeschlagenen Konzern, der mit einer überlebensentscheidenden Umstrukturierung zu kämpfen hat, genau diese Lehmschicht Veränderungen verhindert, weil durch sie Fehlentscheidungen bewusst nicht korrigiert werden, um persönliche Vorteile zu ziehen oder frühere Fehler vertuscht werden sollen. . Wichtige Informationen werden gar nicht weitergeleitet. Jeder weiß es, keiner findet eine Lösung.

Politisches Agieren also auf beiden Seiten. Auf beiden Seiten Angst vor Verlust von Anerkennung, Privilegien, Einfluss, letztendlich Verlust der wirtschaftlichen Existenz. In dieser beidseitigen Lähmung und der Isolation in Eigeninteressen ist der Verlust von Wirksamkeit vorprogrammiert.

Wenn Einsamkeit und Isolation drohen, zum Verhängnis zu werden

Kommen wir auf den Einleitungssatz zurück. Karl Lagerfeld hatte offensichtlich über viele Jahre zwei sehr enge Vertraute, Virginie Viard, seine rechte Hand im Modehaus Chanel und seinen Privatsekretär. Dieses Beispiel im Business-Kontext erscheint klischeehaft, vielleicht überhöht, aber gleichzeitig auch plakativ genug, um es hier als Vorbild zu nutzen. Wir wissen natürlich nicht, wie der Austausch zu kritischen Themen zwischen diesen Personen wirklich stattfand. Aber lassen Sie uns trotzdem bei diesem Beispiel bleiben und Ableitungen wagen, was das Scheitern verhindert.

Drei Dinge braucht es an der einsamen Spitze für mehr Wirksamkeit

  1. Die Erkenntnis der Top-Führungskraft, dass sie in einem politischen Umfeld mehr denn je gefordert ist, sich selbst kritisch zu hinterfragen, um Auswege aus der von vielfältigen Interessenlagen beeinflussten Situation und Konstellation zu erkennen.
  2. Den Mut, eingefahrene Herangehensweisen, Seilschaften und Perspektiven verantwortungsbewusst und ohne Eitelkeit im Sinne des Ganzen zu verändern.
  3. Und ein Gegenüber, das ohne Eigeninteresse, auf Augenhöhe und mit unverstelltem Blick auf die Unternehmenswirklichkeit nicht vor unangenehmen Botschaften zurückschreckt. Es braucht einen Sparringspartner, der auf Augenhöhe klar seine Meinung sagt und den Spiegel vorhält.

Die drei Punkte hängen unmittelbar miteinander zusammen. Ohne eine vertraute, absolut loyale Person, wird der Entscheider nur sehr schwer den Prozess der Selbstreflexion suchen. Und ist gefährdert, immer weiter in die Isolation zu rutschen, marionettenhaft zu wirken und über einen langen Zeitraum letztlich auch seine Persönlichkeit zu verändern. Ziel sollte ein offener, konstruktiver und direkter Austausch zu Lösungen, Impulsen für die Zukunft und Motivation des Umfeldes sein.